Eugène Delacroix, La Liberté guidant le peuple (Das Volk führt die Freiheit), 1830, Musée du Louvre
Der Leser meines Blogs, Werner Koller, hat meine Gedanken zur Freiheit Nr. 3 durch seine Ergänzung auf LinkedIn bereichert und mir auch erlaubt, seinen Gedanken hier einfließen zu lassen. Die Ergänzung
findet ihr weiter unten im Text grau hinterlegt.
Im ersten Teil meiner Einsichten zur Freiheit unter der Überschrift «Freiheit neu leben» Anfang November habe ich angekündigt, dass ihr die Fortsetzung in nächsten Tagen lesen könnt. Jetzt sind 2 Monate vergangen. Was ist passiert?
Am 9. November flog ich für 3 Wochen nach Namibia. Übrigens auch ein Land, das die Einreise mit einem deutschen Pass ohne vorherige Beantragung eines Visums ermöglicht (vgl. Die Freiheit Nr. 1 Reisefreiheit).
Staus sind in Namibia eher selten - geteerte Strassen übrigens auch ;-)! Auf einer Fläche 3 x so gross wie Deutschland leben gerade mal 2,6 Mio. Einwohner. Hier unterwegs zu sein, vermittelt ganz oft das Gefühl von Freiheit und Abenteuer :-).
Leider habe ich am zweiten Tag meines Aufenthaltes – es war der 11. November (Sankt Martin) - meinen Rucksack samt Laptop unfreiwillig «gespendet». Ich hoffe, er wird zwischenzeitlich sinnstiftend verwendet und hilf dem Nutzer beim wirtschaftlichen Aufstieg (wo angesichts der jährlichen Durchschnittsverdienstes in Höhe von ca. 7.500 Euro in Namibia noch viel Luft nach oben besteht).
In der Zwischenzeit besitze ich ein neues Gerät und kann fortfahren.
Ihr kennt meine beiden ersten Dimensionen der Freiheit.
1. Reisefreiheit
2. Finanzielle Freiheit
Die 3. Freiheit, die ich mit euch teilen möchte, ist die «Freiheit, wählen zu können». Für mich ist dies das grösste Privileg des Menschen und wird gleichzeitig von ganz vielen Menschen auch als eine grosse Bürde empfunden. So gross, dass viele – wahrscheinlich ist es die Mehrheit – darauf verzichten. Ich vermute, eher unbewusst.
Es geht hier nicht um das aktive oder passive politische Wahlrecht. Ich meine die dem Menschen exklusiv vorbehaltene Fähigkeit,
reflektiert eigene Entscheidungen treffen zu können.
Wer meinen Aufsatz zu Werten gelesen hat, weiss was ich damit meine.
Für alle anderen hier der Gedanke.
Was bedeutet, wir haben die «Freiheit zu wählen»? Nun es gibt für uns Menschen einen Raum zwischen Reiz und Reaktion. Der ist nicht in allen Fällen und bei allen Menschen gleich gross. Für die persönliche Entwicklung ist es unbedingt anzustreben, diesen Raum zu vergrössern. Menschen, die z.B. in einer bestimmten Situation sofort aus der Haut fahren und herumbrüllen, besitzen in diesem Moment kaum Raum zwischen Reiz und Reaktion. Oder jeder kennt Situationen im Strassenverkehr. Jemand ist unaufmerksam, macht einen Fehler und im anderen Auto wird gehupt, wild gestikuliert und in manchen Fällen endete das in einem Handgemenge zwischen Autofahrern. Ist das vernünftig?
Dieser Raum vom dem ich spreche, ist der Raum der Vernunft und nicht der Emotionen. Wobei es möglich ist, auch den Umgang mit und seinen eigenen Emotionen selbst, bewusst zu gestalten.
Dahinter steht das Selbstverständnis für meine Ergebnisse selbst verantwortlich zu sein (und nicht die Umstände oder Andere) gepaart mit dem Bewusstsein, meine Aktionen, Re-Aktionen selbst frei wählen und darauf basierend zielgerichtet aktiv werden zu können.
Stephen R. Covey hat dafür in seinem Buch "Die 7 Wege zur Effektivität / The 7 Habits of Highly Effective People" - den Begriff der "Pro-Aktivität" geprägt.
Wir treffen täglich unzählige Entscheidungen – mehr oder weniger bewusst. Sich vermeintlich «nicht zu entscheiden» - ihr kennt das alle (ich bin mir nicht sicher, ich brauche mehr Informationen, ich warte mal lieber, wie sich die Situation entwickelt, ich benötige mehr Zeit zum Nachdenken, ich melde mich morgen dazu). All diese auf den ersten Blick «Nicht-Entscheidungen» sind auch Entscheidungen. Du entscheidest dich in diesem Moment für den Status Quo – also am Festhalten an dem, was gerade ist. Keine selbst initiierte Veränderung!
Besonders spannend ist für mich der Umgang mit Impulsen von außen. Auch diese Situationen kennt jeder. Nicht nur im Straßenverkehr. Es geschieht etwas in eurem Umfeld, auf das ihr in irgendeiner Form reagieren müsst. Eben ein Impuls. Ein Kollege kommt an euren Schreibtisch, schreibt euch eine Mail, ein Kunde ruft an, deine Eltern - dein Partner - äußern sich zu einem Vorhaben, jemand in eurem Freundeskreis ist schwer erkrankt…und und und.
Täglich werden wir zuhauf «angestoßen», zu reagieren. Die Art und Weise der Reaktionen erfolgt mal mehr – mal weniger - überlegt. Jedoch haben wir es immer in der Hand, wie wir reagieren. Und die Art unsere Reaktion beeinflusst maßgeblich den weiteren Verlauf der Dinge. Wie oft höre ich im privaten und geschäftlichen Umfeld ein Klagen über die Umstände, über das Verhalten unserer Interaktionspartner, über das eigene Schicksal. Ich möchte hier nicht den Eindruck vermitteln, dass mich das nicht betrifft und ich das noch nie gemacht habe. Allerdings bin ich zutiefst davon überzeugt und trainiere mich täglich darin, die Dinge in meinem Sinne, positiv und konstruktiv zu gestalten. Denn es liegt an mir, wie ich agiere und reagiere und deshalb bin allein ich am Ende des Tages für meine Ergebnisse verantwortlich und nicht die anderen oder die Umstände.
Oder um es mit Viktor Frankl – dem berühmten Wiener Neurologen und Psychiater zu sagen:
"Wenn wir nicht mehr in der Lage sind die Situation zu ändern, besteht die
Herausforderung darin uns selbst zu ändern“
"Einer der letzten menschlichen Freiheit ist, seine Einstellung unter welchen
Umständen auch immer frei wählen zu können und einen eigenen Weg wählen zu können.“
"Nicht das Problem macht die Schwierigkeiten, sondern unsere Sichtweise.“
Werner Koller ist es ein Anliegen, an dieser Stelle noch etwas zu differenzieren. Hier seine Ergänzung:
"Die Unterscheidung zwischen Willensfreiheit und Handlungsfreiheit ist wesentlich. Willensfreiheit besteht darin, sich ohne fremdes Diktat eigene Ziele zu setzen, während Handlungsfreiheit in der Wahl der geeigneten Mittel und Wege zu den gesetzten Zielen zum Zuge kommt.
Was die Willensfreiheit betrifft, so wurden die Einschränkungen seitens eines fremden Willens und die damit verbundenen Vorschriften in Bezug auf das, was man wollen soll, als Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts empfunden. Dies führte zu der Auffassung, dass der mündige Mensch kraft seiner Vernunft legitimiert ist, zu wollen, was er will, und sich diese Freiheit weder durch einen göttlichen Willen noch durch andere Autoritäten beschneiden lassen darf.
Bei der Handlungsfreiheit sind die Einschränkungen anders als bei der Willensfreiheit nicht normativer, sondern faktischer Art. Wer im Gefängnis sitzt, kann nicht gehen, wohin er will. Aber auch die Ungunst der Umstände, knappe Ressourcen, die Tücke des Objekts, unvorhergesehene Hindernisse oder zufällig eintretende Ereignisse reduzieren die Handlungsmöglichkeiten, im Extremfall sogar auf Null. Wir sind demnach keineswegs so Herr unserer Handlungen wie wir Herr unseres Willens sind." (Kommentar auf LinkedIn vom 14.01.23)
Soweit Werner Koller. Eine wie ich finde, sehr wertvolle Ergänzung. Der Wille allein kann nicht alles erreichen. Die äußeren Umstände, die Naturgesetze wie auch sonstige limitierenden Faktoren, setzen uns Grenzen. Und doch fängt mit dem Willen alles an, mindestens das erreichen zu können, was möglich ist. Und das ist häufig mehr, als auf den ersten Blick möglich erscheint.
Mir ist wohl bewusst, dass dieser Teil unserer Freiheit schwere Kost ist, die erst verdaut werden will. Deshalb lasst es wirken.
Von allen Freiheiten dieser Welt, möchte ich diese Form der Freiheit am wenigsten missen. Sie versetzt uns in die Lage, alle Situationen in unserem Leben bewältigen zu können. Wir müssen es nur wirklich wollen. Und ja, alles hat seinen Preis, den es auch bei noch so aufbauendem Denken zu bezahlen gilt.
Freiheit Nr. 3 – die Freiheit, wählen zu können
コメント