
@FOCCA
Am 26. Oktober machte das The Pioneer Briefing mit der Überschrift auf,
„Journalismus: Lernen von der Washington Post“.
Gabor Steingart persönlich erläutert seinen Lesern, warum das aus seiner Sicht ein großer Tag für den Journalismus und ein Weckruf für die deutschen Medienschaffenden ist.
Während des Hörens hatte ich – je länger ich zugehört habe – wachsende Zweifel, ob die Argumente wirklich überzeugend sind.
Ich habe mir diese Folge zuerst als Podcast gegönnt und danach das Briefing gelesen.
Beim Lesen wiederum waren meine Zweifel nicht mehr ganz so ausgeprägt.
Aber worüber bin ich „gestolpert“?
Gabor Steingart lässt keine Gelegenheit aus, den Medien in Deutschland mangelnde Neutralität in ihrer Berichterstattung zu bescheinigen und hält das für eine Fehlentwicklung.
Für The Pioneer erhebt er den Anspruch, neutraler zu berichten, sich auf die Beschreibung von Sachverhalten zu fokussieren und eigene Meinung möglichst auszublenden.
Gerne zitiert er dabei Rudolf Augstein „Schreiben, was ist“
So ehrbar und wünschenswert der Anspruch und das Vorhaben ist – ist es überhaupt realistisch?
Und da lag dann auch ein Stolperstein in seiner Argumentation.
In der „guten alten Zeit“ des ORR – führt er an - boten die Vertreter des linken und des rechten Meinungsspektrums „wie selbstverständlich eine große Spannbreite.“
„Links sendeten Franz Alt, Klaus Bednarz und Ulrich Kienzle, rechts davon Gerhard Löwenthal, Sigmund Gottlieb, Peter Hahne und Bodo Hauser.“
Wir wurden somit von beiden Seiten in etwa gleichmäßig beschallt. Aber neutral und frei vom Einfluss der eigenen Meinung waren die zitierten Journalisten sicher nicht. Und waren Sie unabhängig?
Kann jemand unabhängig sein, wenn er seinen Lebensunterhalt mit Journalismus verdient?
Ich vage die These, die überwältigende Zahl der Journalisten war nie wirklich unabhängig und hat auch nicht unbeeinflusst der eigenen Präferenz berichtet.
Darüber hinaus hatten alle führenden Medienhäuser Eigentümer und Gesellschafter, deren parteipolitischen Präferenzen in den Redaktionen abgebildet wurden. Das war in den letzten Jahrzehnten so, und wird wohl auch immer so bleiben.
In einigen Fällen ist das offensichtlicher in anderen bemüht man sich um mehr Zurückhaltung.
Die Entscheidung der Post – Geschäftsleitung – offensichtlich maßgeblich von JB inspiriert – keine Wahlempfehlung mehr auszusprechen, kann man gut finden (ich finde sie gut), daraus die Wiedergeburt des unabhängigen Journalismus abzuleiten, empfinde ich als Überbewertung.
Aber von den grundsätzlichen Überlegungen zur Machbarkeit von Neutralität und Unabhängigkeit im Journalismus einmal abgesehen, ist jeder Schritt weg von dem offensichtlichen und ausgeprägtem Haltungsjournalismus wie er sich mehr und mehr verbreitet, sehr zu begrüßen.
Und lieber Gabor Steingart: Der Weg ist das Ziel – weiterhin gute Reise!
Ihr treuer Hörer und Leser
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