Wer von euch hat noch nicht von Simon Simek und seinem „Golden Circle“ gehört?!
Er empfiehlt allen Unternehmern nach dem WHY zu suchen und erst danach, das WIE und das WAS zu definieren oder neu auszurichten. Zumindest sollten diese 3 Ebenen des Geschäftsmodells zusammenpassen und nicht im Widerspruch zueinanderstehen
Die Frage nach dem eigenen Purpose hat eine ungeahnte Popularität erlangt und in kaum einem größeren Unternehmen wird er nicht zitiert und diskutiert. Aus dieser Popularität ist ein neues Geschäftsmodell für Consultants hervor gegangen, die als „Heilsbringer“ – insbesondere für die Jungen – in der Belegschaft den tieferen Sinn in ihrer Tätigkeit freilegen sollen.
Da sind wir schon beim ersten Stolperdraht. Es macht nämlich - insbesondere in der deutschen Sprache - einen großen Unterschied, ob wir nach dem "Sinn" oder nach dem "Zweck" suchen. Die "Sinnfrage" führt leicht in die Irre oder ins Nirgendwo.
Die ersten Nachkriegsgenerationen waren noch genügsam – ihnen hat der Broterwerb als Sinn ihrer Tätigkeit meist ausgereicht. Wirtschaftlicher Aufstieg erschien sinnvoll genug. „Die Kinder sollen es einmal besser haben.“
Dann kamen die 68er und haben vieles infrage gestellt. Die Kinder dieser Generation sind häufig anspruchsvoller und deren Kinder allemal. Und so reiben sich die Inhaber und Manager meiner Generation (ich bin ein Babyboomer) heute oft die Augen und raufen sich die Haare, wenn sie mit den Vorstellungen der Generationen X Y Z (was kommt eigentlich danach – gehen wir zurück auf A? 😉) konfrontiert werden.
Da verbreiten Simon Simek und seine Missionare Hoffnung auf Erlösung und endlich eine Antwort im Sinne des „Eies des Kolumbus“. Bevor Sie jetzt „Googlen“:
Also etwas naheliegendes zu tun, das aber nur getan wird, weil man die Herangehensweise ändert und Denkräume erweitert.
Allerdings ist hier Vorsicht – oder sagen wir besser Augenmaß geboten. Warum werden Sie vielleicht fragen?
Nun – auch hier gilt: Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht.
Anlässlich einer Veranstaltung zum Thema „Unternehmens – Purpose“ im letzten Jahr in Zürich wurden diese in Mode gekommenen Aktivitäten differenziert diskutiert. Einer kleinen Armee von "Missionaren", die durchaus erfolgreich (kommerziell aus eigener Perspektive) zu sein schienen, stand als Kontrapunkt Reinhard K. Sprenger (lt. Spiegel meistgelesener deutscher Managementautor – u.a. Mythos Motivation, Vertrauen führt…) gegenüber.
In seinem Impulsvortrag bezeichnet er (ich fasse recht knapp und nicht wörtlich den Kern seiner Aussagen zusammen) diese ganzen Bemühungen zur Sinnsuche als Zeitverschwendung. Der Sinn eines kommerziell tätigen Unternehmens sei das Erzielen von Umsatz und Gewinn. Alles darüber Hinausgehende der Versuch einer Zuschreibung, die in den meisten Fällen eben keinen Sinn ergibt und damit für die Belegschaften der Unternehmen auch keinen Mehrwert bietet.
Selbstverständlich hat er das differenzierter erläutert und begründet. Was blieb war die Provokation der Mehrheit der anderen Podiumsteilnehmer. Einige von Ihnen mussten nach Luft und Argumenten ringen und hatten erkennbar Mühe damit.
Mein Versuch, die Gegensätze zu entschärfen, hat an diesem Nachmittag nur wenig Früchte getragen.
Während einer anderen Veranstaltung zu diesem Thema – ebenfalls in Zürich – hatte ich Gelegenheit, mit einem Unternehmer darüber zu sprechen, welchen Mehrwert der Purpose – Prozess in seinem Unternehmen hervorgebracht hat.
Das Unternehmen, ein namentlich hier nicht genannter Hersteller von Schaltschränken für die Industrie, hat im Rahmen von Workshops – die über mehrere Monate angelegt waren – herausgearbeitet, dass das Unternehmen „einen Beitrag für eine bessere Welt“ leistet. Worauf ich den sichtbar stolzen Unternehmer fragte, wo genau denn sein Beitrag liegt und was durch seine Schaltschränke verbessert wird? Die Frage fand er „blöd“ und die Antwort ist er mir schuldig geblieben.
Ungeachtet dessen habe ich mich in meiner damaligen Rolle als CEO bei der Alphabet Fuhrparkmanagement (Schweiz) AG auch hinreisen lassen, einen solchen Anlauf zur „Purpose-Findung“ zu unternehmen. Wir haben den Prozess – das tat weh – nach 5 Monaten und ca. 30 K Invest (nur externe Kosten) abgebrochen.
Ich betrachte unser Scheitern nicht als Beweis, dass derartige Bemühungen im Sinne von Reinhard Sprenger Zeitverschwendung sind.
Aber ich bin heute fest davon überzeugt, dass wir die Flughöhe dieser Übungen im Auge haben und in den meisten Fällen „nicht die Sterne, sondern den Boden“ im Blick behalten sollten.
Warum?
Bestehende Unternehmen haben ein Geschäftsmodell und funktionieren mehrheitlich – sowohl inhaltlich als auch ökonomisch. Und nüchtern betrachtet, tragen die meisten Unternehmen mit ihren Aktivitäten nur sehr eingeschränkt zur Verbesserung der Lebensbedingungen auf dieser Erde bei oder können für sich einen Anteil an der Rettung des Planeten Erde reklamieren. Ich verwende diese hoch gesteckten Ansprüche deshalb, weil allen ernstes viele bei ihren „Purpose-Prozessen“ danach suchen. Und sich leider häufig geistig verrenken – dann vielleicht eine schnittige Vision auf Ihre Internetseite schreiben und viele Plakate im Unternehmen aufhängen – die jedoch – außer ein gutes Gefühl bei den Machern (ok, das kann auch etwas wert sein) – nichts bewirken und wenig Substanz haben (vgl. das Schaltschrankbeispiel).
Wenn sich das ganze Vorhaben in „Bodennähe“ bewegt und am Ende vielleicht nur dasteht, „wir wollen die zufriedensten Kunden“ haben, hilft es der Belegschaft wahrscheinlich mehr, um sich zu orientieren, als die „Rettung der Welt“ – ohne jeglichen konkreten Bezug – auszurufen.
Ob dies allerdings den vermuteten Erwartungen der Generationen X Y Z genügen wird, müssen Sie leider selbst herausfinden ☹.
Eine andere Variante des „Golden Circle“ ist das aus Japan stammende IKIGAI
Ich konnte mir auf den ersten Blick dabei mehr vorstellen als beim „Golden Circle“. Wenn Sie genauer hinschauen, wachsen sofort die Herausforderungen, sobald Sie diesen Prozess als Unternehmen mit vielen Mitarbeitern durchlaufen wollen. Jeder für sich, ist es schon kein Spaziergang – als große Gruppe, ein echter 8-tausender.
Das soll Sie aber nicht abhalten.
Wie heißt es doch so schön: Alle dachten es geht nicht – einer wusste das nicht und hat es einfach gemacht.
In diesem Sinne: Viel Erfolg!
Und berichten Sie bitte über Ihre Erfahrungen.
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